Advokalender. #10

Den Mädels ist an ihrem vorweihnachtlichen Schreibpult vor lauter Schrift-Gedöns doch nun fast die Feder aus der Hand entglitten. Ihre müden Finger entspannend, gönnten die Märchen-Freundinnen sich nun mit Knabbereien am Lebkuchenhäuschen eine kleine Pause, welche etwas ausartete…. Bei Kerzenduft und Glühweindunst plauderten sie über ihre Reise durch die Matrix des irdischen R e c h t s, sinnierten über ihre Erlebnisse der vergangenen zwölf Monate und unterhielten sich über das ständige Klagegeschrei ihrer Freunde… Bis beim Flaschendrehen urplötzlich, -und wie aus dem Nichts-, ein Hirsch entstieg. Sie tauften ihn „Artus“ und begannen, ihrem tierischen Orakel ihre Aufgaben, Herausforderungen und Sehnsüchte zu erzählen. Ein jedes Märchen-Mädel schilderte sein Begehr. Ob sie wohl dadurch neuen Perspektiven „Thyr und Thor“ eröffnet haben?

Mach´ auf die Thyr und das Thor mach´ weit…


Advokalender 2Q2Q – Thörchen #10 – Rosina bleibt standhaft

#10 Thörchen

In der Schreibstube ist es ganz still geworden. [Ein jedes Märchen-Mädel verdaut im Geiste noch die bleierne Darlehenskost. Tuning Paules Bankengeheimnis hängt so schwer in der Luft, dass selbst der Kerzenschein schon fast erlischt. Artus nutzt die kurze Orakelpause, fläzt sich genüsslich auf die Märchencouch und entzündet -oh wie praktisch- die Enden seines Hirschgeweihs. So hell erleuchtet wirft er kurz einen neugierigen Blick in das ihm zu Hufe liegende, stark zerfletterte Drostenloser Gemeindeblatt.

Aufgrund explodierender chinesischer Flugsamen-Fälle muss der Winterfeller Stadtteil abgeriegelt werden. Drostenloses Bürgermeister Rübezahn Fliege verkündet in seinem Käseblatt heroisch die Planung einer Luftbrücke. Zur Versorgungsunterstützung der Drostenloser erhält der Feldmarschallende zudem bestgeschultes Personal. Zur Einhaltung der Sanitärkontaktsperre wird mit der Ankunft der Rosinenbomber ebenfalls ein Sonderposten Podex-Umschläge erwartet. Die kleinwüchsigen Flugbegleiter und Stewardessen halten sich bodennah in kontaminiertem Flugsamengebiet auf und sind direkt und rund um die Uhr im Gefahrenbereich unterwegs und somit besonders schützenswert.

Toxisch angewidert erlischt Artus´ Kronleuchter und seine Augen drehen sich nach der flotten Lotte um. Lieschen, Violetta und Charlotte pokern gerade mit Chinaböller um das bisher angesammelte Flaschenpfand. Das Hirsch-Orakel entdeckt sein Lottchen vor dem magischen Spiegel, die dort ganz geschockt zu posieren scheint. Die flotte Mode-Ikone, Lotte, hat sich angesichts der mandschurischen Großwetterlage von ihrer Büro-Nachbarin Rosina heimlich einen Prototyp gemopst. Artus amüsiert sich köstlich über den vorgeführten Ganzkörperschutzumhang und erinnert sich dabei an seinen Schriftsatz zu Rosinchens „Verleihnix“-Fall.

Einst ist Rosinas Modemarke aus „der Höhle der Löwen“ empor gestiegen. Der Siegerin und ihrer Qurka-Rosen-Linie versprach man eine bombige Zukunft. Das Königsmunder Buchfinken-Wagenheber-Konsortium köderte Rosina erfolgreich für deren soziales Massenspiel und orderte en gros moderne Mund-Nase-Larven und attraktive Windelhöschen. Rosina produzierte, dank der großzügigen Vorfinanzierung der Konsorten-Landesbank, fleißig das gewünschte Sonderprogramm und lieferte pünktlich die Produktlinien „Papageientaucher“ und „Rosetten-Kissen“. Nun wartet Rosina Standhaft auf die Bezahlung ihrer Groß-Lieferungen.

Eiskalt flog ihr dann die naive Gewinner-Maske vom Gesicht. Denn nun pocht Rosinchens finanzierende Landesbank auf die Kreditrückzahlung und klopft mittels Obergerichtsvollzieherin Anastasia Verleihnix drohend an ihrer Thyr. Geschockt über den Königsmunder Bankgestank eilte sie Hilfe suchend in die Märchenstube. Minutiös hat Rosina sodann deren Schritt-für-Schritt-Anleitung befolgt, der Konsorten-Landesbank schriftlich ihre Zweifel eines rechtmäßig zustandegekommenen Darlehensgeschäfts geäußert und dem Amtsgericht Winterfell ihre besonderen Umstände angetragen.

Kurz vor dem zeitlich forcierten Offenbarungseid rief Rosinchen, auf Empfehlung der Märchen-Mädels, im Amtsgericht Winterfell an. Sich höflich nach der Erledigung ihres Schreibens vom `5. Dezember 2028´ erkundigend, brachte das dort die aufsässige, resolute Justizsekretärin heftig ins Schleudern. Völlig überrascht von Rosinchens selbstsicherem Auftritt, fing diese das Stottern an und faselte hilflos etwas von „die Akte liegt auf Richter.“ Durchs Telefon vernimmt Rosinchen noch, wie diese eilig zu ihrer Vorgesetzten flitzt und hört deren hilfloses „Du meine Güte“-Geflüster, bevor sie in der automatischen Warteschleife geparkt wird. Nachdem Rosinchens „Täglich-grüßt-das-Murmeltier“-Songliste sieben Striche zählt, meldet sich die Urkundsbeamtin und vermeldet kleinlaut, dass die Obergerichtsvollzieherin informiert sei und Anastasia Verleihnix den Termin storniert habe. Zur Sicherheit fragt Rosinchen noch zweimal nach. Die Aussage bleibt: „Ladungstermin storniert!“

Angriff abgewehrt. Rosina drohte der Vollstrecker und die Strategie der Märchen-Mädels war erfolgreich. Und das mutige Rosinchen tanzt heute noch zu „Dance Monkey“ ausgelassen den Drostenloser Windel-Mambo.

Die Privatautonome Willenserklärung unter Eid und unbegrenzter Haftung vom `5. Dezember 2028´ liest sich wie folgt:

Hier:  Ihre `Förmliche Zustellung 9 DR 1755/20´

Sehr geehrte Frau Rosina Standhaft, vertreten durch die Obergerichtvollzieherin Anastasia Verleihnix, vertreten durch den Geschäftsführer des Amtsgerichts Winterfell Rupert Rupp,

wir nehmen Bezug auf die auf den `17.11.2028´ datierte, förmlich zugestellte „Zwangsvollstreckungssache 4 WR 1763/28“.

Wie schon unsere postalische Absenderangabe zum Ausdruck bringt, können wir uns zunächst auf Ihr obiges Zeichen nicht einlassen. Aufgrund einer Personenverwechslung beim Geburtseintrag können aktuell keine weiteren Angaben zur adressierten Person `Frau Rosina Standhaft’ im Zusammenhang oder in Verbindung mit unserer tatsächlichen physischen Person erteilt werden. Es hat sich mittlerweile herausgestellt, dass der Personenstandsfall `Frau Rosina Standhaft, Urkunde Nr. 123/1999´ dem Standesamt Winterfell gehört und nicht identisch ist mit dem Geburtsfall der Unterzeichnerin S t a n d h a f t, Rosina, Urkunde Nr. 123. Selbst wenn die Namen ähnlich klingen, so sind die jeweils registrierten Personen akkurat zu differenzieren, denn alle beide haben Beweiskraft im Sinne der einschlägigen Personenstandsgesetze. Da der Geburtsfall der Unterzeichnerin nunmehr mit einem öffentlichen Personenstandstitel nachgewiesen werden konnte, wenden Sie sich bitte in Sachen der `Frau Rosina Standhaft´, die wir nicht sind, an den Inhaber und Herausgeber dieser Person.

Wir haben, -zu Ihrer Information-, unser Geburtsstandesamt gebeten, die Papiere der S t a n d h a f t, Rosina, Urkunde Nr. 123 als der tatsächlichen Person herauszureichen, da wir mangels eigener Titel bislang immer noch den Personenstandsfall des Standesamts zur Nutzung verwenden müssen (Meldeadresse usw…). Hierzu haben wir nach längerem Hin und Her unter Vorlage notariell beglaubigter Dokumente ein Personenstandsverfahren beim zuständigen Familiengericht (Amtsgericht Winterfell) und eine Bescheinigung zum Eintritt der Genehmigungsfiktion beantragt. Hierbei ist insbesondere erwähnenswert, dass wir von unserem erblichen Ausschlagungsrecht Gebrauch gemacht hatten und nunmehr keine deutsche Staatsangehörige sind bzw. nie eine waren. Der abschließende Verwaltungsakt hierzu sollte uns den gesetzlichen Regelungen entsprechend in gut zwei Monaten vorliegen.

Aus diesen rechtlichen Umständen heraus folgt, dass wir uns nicht mit einem Schuldnernamen der Konsorten-Landesbank gegenüber identifizieren können bzw. dürfen. Vielmehr hat die Konsorten-Landesbank mittlerweile sogar zugegeben, dass diese den Vorbesitzer der Mittel, welche als vorgebliches Darlehen ausgereicht wurden, weder benennen kann noch dieser selber ist. Daraus kann geschlossen werden, dass ein Rechtsgeschäft nie zustandekam und insofern sowohl der originale Schuldner- wie auch Gläubigertitel fehlt. Aus einem inexistenten Rechtsgeschäft kann natürlich ebenso keine “Zwangsvollstreckungssache” entstehen.

Über das anhängige Personenstandsverfahren wollen wir Sie deshalb informieren, weil bei diesem Verfahren einige Dinge nicht in Ordnung sind, zu deren Klärung wir notfalls alle Instanzen bemühen. Es fällt sicherlich nicht in Ihren Aufgabenbereich, rechtliche Umstände zu beurteilen, aber im Zusammenhang mit dieser öffentlichen Personenverwechslung drohen Sie für den Fall des Nichterscheinens die Verhaftung an, so dass es unsere Pflicht ist, Sie in Kenntnis zu setzen.

Wir haben Ihre förmliche Zustellung nunmehr an das zuständige Amtsgericht zur Prüfung weitergeleitet, weil dieses ohnehin mit dem Personenstandsverfahren befasst ist. Wir haben das Amtsgericht gebeten, Sie zu benachrichtigen und Sie zu bitten, von den beabsichtigten Zwangsmaßnahmen Abstand zu nehmen, bis die Rechtsangelegenheiten zu Person und Sache geklärt, eindeutig und unstrittig sind. Insofern bitten auch wir Sie vorsorglich, die rechtshemmende Wirkung dieses Schriftsatzes zu würdigen.

Sollten im Hinblick auf öffentliche Belange durch die unterzeichnende erstrangige Verfügungsgläubigerin und Treugeberin unabsichtlich und unwissentlich ein Schaden oder eine Entehrung entstanden sein, so bittet diese -in allen Ehren- um die Zustellung derjenigen Urkunden, mit welcher dieser Schaden oder die Entehrung umgehend geheilt werden können.

Diese Urkunde wird als privatautonome Willenserklärung in Frieden präsentiert mit dem Zweck, die öffentliche Ordnung, Sicherheit und das öffentliche Wohl aller Beteiligten aufrechtzuerhalten. Sie wird mit dem nachfolgenden Autograph und mit dem Ehrenwort der unbegrenzten Haftung versichert und als Zeichen des dreimalig geäußerten Willens durch die Unterzeichnerin bestätigt und von der Treugeberin rückbestätigt sowie mit ihrem Daumenabdruck als Lebendzeichen gesiegelt.

Beachten Sie bitte auch, dass wir diesen Frachtbrief nach der Convention Union postale universelle (UPU) 1874 auf dem Landweg überbringen lassen.

Dies alles wird getan, damit der Mensch nicht zu Schaden kommt. Der Schöpfer kann nicht ausgeschlossen werden.

Gültig im heute, hier und jetzt und für alle Zeiten, datiert zur Postregistrierung (UPU 1874) und rückwirkend zum sechzehnten Juli neunzehnhundertneunundneunzig um 16. Uhr 16 aus dem Wohnsitz zu Winterfell.

Hochachtungsvoll.

R o s i n c h e n

rückbestätigt und gesiegelt: S t a n d h a f t, Rosina]


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