Den Mädels ist an ihrem vorweihnachtlichen Schreibpult vor lauter Schrift-Gedöns doch nun fast die Feder aus der Hand entglitten. Ihre müden Finger entspannend, gönnten die Märchen-Freundinnen sich nun mit Knabbereien am Lebkuchenhäuschen eine kleine Pause, welche etwas ausartete…. Bei Kerzenduft und Glühweindunst plauderten sie über ihre Reise durch die Matrix des irdischen R e c h t s, sinnierten über ihre Erlebnisse der vergangenen zwölf Monate und unterhielten sich über das ständige Klagegeschrei ihrer Freunde… Bis beim Flaschendrehen urplötzlich, -und wie aus dem Nichts-, ein Hirsch entstieg. Sie tauften ihn „Artus“ und begannen, ihrem tierischen Orakel ihre Aufgaben, Herausforderungen und Sehnsüchte zu erzählen. Ein jedes Märchen-Mädel schilderte sein Begehr. Ob sie wohl dadurch neuen Perspektiven „Thyr und Thor“ eröffnet haben?
Mach´ auf die Thyr und das Thor mach´ weit…
#15 – Thyrchen
Der Knoblauchduft hat sich wie eine Decke ausgebreitet und wabert in der Schreibstube umher. [Die feurige Isabella, zum Bleiben fest entschlossen, simst Tuning Paule geschwind ihren Entschluss und lässt sich wohlgefällig nieder. Der Rest der Märchen-Truppe hängt bereits träge auf dem Sofa ab und mimt belustigt das „Endstation Corone“-Koma des Winterfeller Flugsamen-Befalls.
Im sich langsam legenden Döner-Nebel sind schemenhaft diverse Schwingungen auszumachen. Violetta scheint gerne mit ihrer gut gefüllten Böllerbank weiterzocken zu wollen. Charlotte grübelt wohl gerade über einer weiteren taktischen „Sprüchebüchse“-entlarvenden Infiltrationsstrategie und Lieschen guckt so, als sei sie eine Sitzengelassene und für eine ordentliche Bierverkostung im Hinterzimmer ihrer Stammkneipe zu haben. Wohingegen Isabella von einer ganz besonderen Eroberung zu träumen scheint. Und bevor das heiß verliebte Hirschorakel seiner flotten Lotte einen Filmemarathon vorschlagen kann, ertönen nautische Signale.
Violetta erhebt sich, späht durchs Guckloch und reibt sich verwundert die Augen. Erneut blickt sie durch den Thyrspion. Ein ganz fertig aussehender Typ tippt in nervöser Abfolge auf dem Schreibstuben-Messingschild herum und scheint dessen Aufschrift „Ein Herz für Landstreicher“ zu morsen. Kaum hat Violetta die Thyr geöffnet, taumelt dieser in die Schreibstube und sinkt erschöpft und zitternd an der Wand herunter. Charlotte stößt einen unschönen Fluch aus. Lieschen, Isabella und Lotte hat es die Sprache verschlagen und Artus´ Fell zeigt sich gefährlich atomar aufgeladen. Nur Violetta schaut wie „Hein Blöd“ in die Gesichter ihrer kollegialen Kommandozentrale. Aber langsam rieselt der Kalk und ihr Gehirn erkennt den „Gestrandeten“.
Maries Ex-Mann, ehemaliger Star der Winterfeller Fasenacht, sitzt wie verkohlt, geschrödert und ausgemerkelt in der Schreibstube und versteht die Welt nicht mehr. Filou Zündfinger brachte jahrelang auf der MS Winterfell erfolgreich die Damenwelt zum Jauchzen und setzte dabei nicht nur Charlottes Schwester die Narrenkappe auf. Die pandemisch auftretende Flugsamen-Show hat den maritimen Schürzenjäger im vergangenen Jahr zum regionalen Kammerjäger immigrieren lassen. Seinem Talent und seiner speziellen Berufserfahrung folgend, übernahm Filou Zündfinger kurzerhand eine Detektei. Mit seinem Angebot „Jagd auf rote Schlüpfer“ hat er den Nerv der Zeit getroffen und verhilft einsamen Silberrücken aus einem konzentrierten Engpaß zu trauter Zweisamkeit mit verwitweten Pumas.
Verdrostet, gewielert und zerspahnt von dem dauerwellenartig installierten Maßnahmendiktat der Winterfeller Staatsregierung steht jetzt sein aufstrebendes Geschäft vor dem finanziellen Ruin. Diverse vertragliche Verpflichtungen zeigen massive Flugsamenbefall-Resistenzen und trotzen dem behördlich angeordneten Berufsverbot. Letzteres droht seiner Unternehmertätigkeit unverschuldet schneller den Garaus zu machen, als er Seemannshöschen spinnen kann.
Lieschens Rettungspaket hat wohl in der Klein-Unternehmerszene die Runde gemacht und ihn per pedes in die Märchenstube befördert. Trotz seiner schlüpfrigen Vorgeschichte bittet er seine Ex-Schwägerin Charlotte kleinlaut um Hilfe bei der Anfechtung eines Werbevertrags. Artus murrt ungehalten „mieses Karma“, Violetta zuckt mißmutig mit den Schultern und pingt Lotte an. Und bevor Lieschen ihre Krallen spitzen kann, fasst Charlotte sich ein Herz und erinnert alle an ihr Thyrschild. So packten die schreibenden „Musketiere“ ihre Papierschwerter aus und entsandten den Landstreicher mit einem Musterschreiben zurück ins Winterfeller Krisengebiet:
Anfechtung Ihrer Kündigungszurückweisung.
Sehr geehrte Frau Anja Elster von der Agentur `Verdirb oder Wirb GmbH & Co. KG´,
wie bereits mitgeteilt, halten wir den am 30.01.2028 vereinbarten Vertrag aus Gründen höherer Gewalt nicht mehr aufrecht und beharren auf unserer ausgesprochenen Vertragsaufhebung. Ihre Zurückweisung unseres Kündigungsbegehrs fechten wir an.
Die Gründe hierfür sind: Infolge der aktuellen Maßnahmen der Winterfeller Staatsregierung anlässlich des chinesischen Flugsamen-Befalls ist mit einer erheblichen Verlängerung der Wirksamkeit des Infektionsschutzgesetzes zu rechnen. Die Aufhebung der Maßnahmen ist zeitlich nicht absehbar und von einer „neuen Normalität“ ist die Rede. Da entsprechend der Art unseres Gewerbes der …..Mindestabstand zu ansteckenden Schlüpfern…. nicht eingehalten werden kann und dadurch unsere Arbeitsbedingungen auf ein unerträgliches Maß erschwert werden, kommt die erneute Maßnahmenverlängerung einem ruinösen Ende unserer geschäftlichen Tätigkeit gleich. Wir sehen somit keinen Sinn in Werbemaßnahmen für eine unternehmerische Tätigkeit, die wir nicht ausführen dürfen.
Bei Vertragsabschluss hatten wir den Vertrag auf der handelsrechtlichen Voraussetzung gegründet, dass die Gewerbeerlaubnis auch ausgeübt werden kann. Dieses ist jedoch nicht der Fall, da die Regierungsverordnungen für unser Geschäft eine de-facto-Untersagung bedeuten. Nach der allgemeinen Gesetzeslage ist ein Verschulden unsererseits somit auszuschließen und insofern der Hauptgrund, warum wir im Sinne einer Vertragsaufhebung höhere Gewalt beanspruchen. Dementsprechend können wir auch die vertragliche Haftung nicht mehr tragen, da diese nunmehr in den Händen des Lizenzgebers der Gewerbeerlaubnis liegt.
Wir weisen Sie im Rahmen dieser Anfechtung Ihrer Zurückweisung zur gewünschten Vertragsaufhebung auch darauf hin, dass Rechtsgeschäfte wie private Verträge erst dann wirksam werden können, wenn die Grundlagen für dieses Rechtsgeschäft existieren und wenn der Rechtsfolgewille eintreten kann. Dieses ist in der gegenständlichen Angelegenheit nicht der Fall, zumal Ihre Kinos nicht einmal geöffnet sind. Der Eintritt des Rechtsfolgewillens als der Grundlage unserer vertraglichen Vereinbarung ist dementsprechend nicht gegeben. In diesem Fall verletzen Sie die Rechtsmaxime der Clausula Rebus Sic Stantibus, welche gleichbleibende Umstände als Vorbedingung für die Vertragserfüllung definiert. Diese Maxime stellt weltweit für jegliche vertraglichen Vereinbarungen das Hauptfundament dar, auch wenn Sie nicht in jedem Gesetz explizit benannt wird. Elementare Rechtsmaximen müssen das nicht.
Wir verstehen gerne, dass Sie Ärger, Aufwendungen und Kosten hatten. Diese hatten wir auch. Dementsprechend kommen wir Ihnen entgegen und wären mit der Annullierung und Nichtigstellung des damals geschlossen Vertrags einverstanden, indem wir Ihnen im Gegenzug ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine Unkostenpauschale in Höhe von ……….. zur sofortigen Anweisung anbieten.
Wir bitte Sie, sich binnen 14 Tagen, also bis zum 30. Dezember 2028, zu äußern, indem Sie unserem Angebot zustimmen oder die substanziellen Inhalte unserer Erklärungen Punkt für Punkt widerlegen.
Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.
Hochachtungsvoll.
Filou Zündfinger, Geschäftsführer der Detektei Zündfinger oHG
Einer für alle. Alle für einen. Mit vereinter Kraft können die Märchen-Mädels die unterschiedlichsten imaginären Herausforderungen meistern. In ihren Märchen gibt es Hintergrundinformationen und Wissenswertes – auch für Leichtmatrosen und Klabautermänner:]