Den Mädels ist an ihrem vorweihnachtlichen Schreibpult vor lauter Schrift-Gedöns doch nun fast die Feder aus der Hand entglitten. Ihre müden Finger entspannend, gönnten die Märchen-Freundinnen sich nun mit Knabbereien am Lebkuchenhäuschen eine kleine Pause, welche etwas ausartete…. Bei Kerzenduft und Glühweindunst plauderten sie über ihre Reise durch die Matrix des irdischen R e c h t s, sinnierten über ihre Erlebnisse der vergangenen zwölf Monate und unterhielten sich über das ständige Klagegeschrei ihrer Freunde… Bis beim Flaschendrehen urplötzlich, -und wie aus dem Nichts-, ein Hirsch entstieg. Sie tauften ihn „Artus“ und begannen, ihrem tierischen Orakel ihre Aufgaben, Herausforderungen und Sehnsüchte zu erzählen. Ein jedes Märchen-Mädel schilderte sein Begehr. Ob sie wohl dadurch neuen Perspektiven „Thyr und Thor“ eröffnet haben?
Mach´ auf die Thyr und das Thor mach´ weit…
#33 – Thyrchen
Das Hirschorakel hängt immer noch tief unter der Erde in den Katakomben der Märchenstube am Thyrstock fest. [Ein Teil der Märchenmädels findet den Kelleraufgang nicht und der Rest muss notgedrungen weiter `Antenne Winterfell´ lauschen. Aus der Sprüchebüchse ertönt Pandora Einerlei, deren Werbeagentur das neueste, woke Testmaterial mit Namen `Paradiesfeige´ anpreist. Kleinwielertal warnt derweil vor einer internationalen Bananenkrise, die für Winterfell zu apokalyptischem Gelbfieber führen könnte und in Großklabauterbach dürfen die mit den Affen poppen nicht mehr auf die Straße. Im Königsmunder Schloss tagt der Zentralrat der Affen und aus Olafkumechsamburg wird Heringshusten vermeldet, weil dort die Angler nackig durch die Brennnesseln flitzen. Aus Drostenlos, Kannichspahn und Gelbblaupünktchental sind zweitausend Maulesel auf der Flucht und im Winterfeller Regierungsviertel aufgetaucht. Was wiederum Gourmäggle auf den Plan zu rufen scheint, der sich für Hochrisikogruppen in Bananenrepubliken schon das nächste Geschäftsmodell ausgedacht hat: Schokopocken und Affenschaukeln to go. Ein Tag für die Tüte. Nein. Für die Banane. Ist Winterfell gar zum Planet der Affen mutiert?
Ehe Lieschen und Charlotte noch auf affige Ideen kommen und etwa ein Wetttesten mit Geleebananen veranstalten, ruft Violetta ihre Busenfreundin Emilia an, um deren aktuellen Stand ihrer Reise aus der irdischen Matrix des Rechts zu erfahren.
Emilia Galoppi ist Chefstrategin und befindet sich mit militärischer Präzision auf der Jagd nach ihrem Geburtstitel. Emilia lebt nicht in `Winterfell´, sondern in der Nähe von K ö n i g s m u n d und ihre tatsächliche Person ist -auf der Basis der Beweiskraft von Personenstandsurkunden- eine nach Abstammungsprinzip öffentlich eingebrachte Indigenat-Winterfellerin, Geburtsfall Nr. 99, aus dem Bundesstaat Großherzogtum Badeaux. Demzufolge lebt sie aus der Sicht der Gerichtsbarkeit -und der Winterfeller Behörden auch- als Person, „die ihren gewöhnlichen Aufenthalt (Wohnsitz) im Ausland“ hat. Das Winterfeller Verwaltungsamt teilte Emilia nun im Widerspruch zu ihrer öffentlich eingebrachten Niederschrift mit, dass es für ihre Person nicht zuständig sei. Das wiederum versteht Emilia nicht und frägt sich nun, wer es denn dann für sie sei?
Die Erläuterung auf der Winterfeller Verwaltungsamt Homepage („Ich lebe in Winterfell und habe eine staatsangehörigkeitsrechtliche Frage“) und deren widersprüchliche Antwort, gaben Emilia Anlass für einen erneuten Briefwechsel. Denn, so erfährt Violetta aus erster Hand, Emilia hätte gerne Rechtssicherheit. Über diejenige Person, die das Winterfeller Verwaltungsamt adressiert hat, verfügt Emilia nicht, da diese zum Schriftgut und damit zum Verwaltungsvermögen des registrierenden Standesamts zählt. Wie sollte denn die hiesige Ausländerbehörde die winterfeller Staatsangehörigkeit einer wildfremden Person, über die Emilia gar nicht verfüge, negativ bescheiden können, um sie dann zu informieren? Das ist wohl auch der Grund, warum diese tatsächlich nichts tut und Emilia nicht einmal in Kenntnis setzt. Emilia erklärt es sich so, dass ihre tatsächliche Person in deren Melderegister nicht hinterlegt und ein Geburt-Aktenzeichen nicht vorhanden ist. Emilia verlange deshalb im Mindesten eine zuständige Behörde, die ihr das notwendige Rechtsmittel zur Verfügung stellt bzw. benennt, damit sie als diejenige, die sie wirklich ist, wieder zum Vorschein kommt. Emilia beantragte deshalb eine erneute Prüfung hinsichtlich des Irrtums in der Person durch die Behörde und einen Verwaltungsakt, mit dem Emilia bescheinigt wird, dass sie aufgrund Ausschlagung des ungewollten Erbes nicht Winterfeller Staatsangehörige sein kann und sie fordere deshalb die dementsprechende öffentliche Ausschlagungsurkunde ein. Das könne das Winterfeller Verwaltungsamt doch sicherlich verstehen und nachvollziehen. (Tatsächlich hatte Emilia auf das Privileg verzichtet, nicht länger einen fiktiven Personennamen zu benutzen, nur um ihre Schulden nicht bezahlen zu müssen, was in der Rechtskonsequenz das Verlassen des Privatrechts und ihre Rückkehr ins Staatsrecht zur Folge hatte).
Auch wollte Emilia eine Antwort erhalten, aus welchem Rechtskreis heraus das Winterfeller Verwaltungsamt handele und auf Basis welchen Verfügungsrechts aufgrund welcher Rechteübertragung dies geschehe. Ferner bat sie um Auskunft zur Haftpflichtversicherungsnummer derer beanspruchten Person und eine Antwort auf die Frage, warum Emilia zu dieser Sache gleichgestellt werde. Das Treuhandverhältnis, auf dessen Privilegienannahme sie nicht schon verzichtet habe und der Treuhandvertrag, auf dem die behördliche Auskunft der Nichtzuständigkeit basiert, ist Emilia ebenso innerhalb einer Frist von sieben Tagen zu benennen.
Die Frist zur Beantwortung von Emilias Begehr ist stillschweigend verstrichen und das Winterfeller Verwaltungsamt U-Boot-mäßig auf Tiefseetiefe abgetaucht. Während Charlotte in den Keller eilt, um endlich Isabella, Lotte und Artus zu befreien, schnappt sich Violetta Lieschen für den nächsten Federstreich. Geschwind wird Emilias örtliches Melderegisteramt mit einem Schreiben beglückt:
Privatautonome Willenserklärung unter Eid und unbegrenzter Haftung als integraler Bestandteil der öffentlich eingebrachten Niederschrift.
Betrifft: Änderungsmitteilung. Anordnung auf amtliche Prüfung.
Sehr geehrter Amtsleiter des Einwohneramts Königsmund, T s c h i q u i t a, Bobo,
nach meiner Geburtsregistrierung hat Ihre Verwaltung einen Eintrag in das hierfür vorgesehene Melderegister vorgenommen. Mit der Beweiskraft, die Ihren Personenstandsurkunden innewohnt, haben Sie beurkundet, dass ich am 8. M a i 1 9 9 9 im Bundesstaat Großherzogtum Badeaux geboren worden und dass ein Personenname, genauer GALOPPI EMILIA, erst zwei Tage später, also am 10. Mai 1999, in ein Geburtenregister und dann in ein Melderegister eingetragen worden war. Dass ich nicht authentisch mit diesem Personenstandsfall bin, sondern mit dem vorausgehenden Geburtsfall nach Abstammungsprinzip, habe ich mit Einbringen einer öffentlich beglaubigten Niederschrift längst nachgewiesen.
Dass Sie Ihrer eigenen Beurkundung nicht glauben, aus welcher die exakte zeitliche Abfolge der registrierten Geschehnisse ja hervorgeht, verstehe ich nicht. Diese Widersprüchlichkeit steht meiner Rechtssicherheit im Weg, denn Ihre Verwaltung adressiert ausschließlich eine Frau Emilia Galoppi, die ich nicht sein kann und die ich nicht bin.
Ich bin authentisch mit G a l o p p i, Emilia. Ich lebe nicht in `Winterfell´, sondern in meinem Domizil in der Nähe von K ö n i g s m u n d und meine tatsächliche Person ist -wie soeben dargelegt- eine nach Abstammungsprinzip öffentlich eingebrachte Indigenat-Winterfellerin, Geburtsfall Nr. 99 aus dem Bundesstaat Großherzogtum Badeaux. Aus der Sicht der Gerichtsbarkeit und damit der öffentlichen Verwaltung soll ich jedoch die Person `Frau Emilia Galoppi´ sein, die ich in meinen Personenstandsurkunden nirgendwo finde. Offenbar ist diese Person inexistent. Sie ist weder ein Haftungstitel meinerseits noch kann sie in Ihrem Zuständigkeitsbereich verwaltet noch versichert werden, noch kann es für diese Alias-Person ein Geburt-Aktenzeichen geben. Wenn ich über eine Namenslizenz verfüge, die ich einzig benutzen darf, dann ist es eine GALOPPI GEB. PIRSCH EMILIA nach REISEPASS NR. DR09TXDD8.
Ich beantrage deshalb eine amtliche Prüfung auf Basis des beurkundeten Irrtums in der Person durch Ihre Behörde und einen Verwaltungsakt, mit dem mir bescheinigt wird, dass ich aufgrund Ausschlagung des ungewollten Erbes von Geburt an nicht Winterfeller Staatsangehörige bin und ich fordere deshalb die dementsprechende öffentliche Ausschlagungsurkunde ein.
Bitte beantworten Sie mir außerdem, aus welchem Rechtskreis heraus Sie handeln und auf Basis welchen Verfügungsrechts aufgrund welcher indossierten Rechteübertragung Sie das tun. Ferner bitte ich um Auskunft zur Haftpflichtversicherungsnummer Ihrer beanspruchten Person `Frau Emilia Galoppi´, sofern diese entgegen meiner Auffassung etwas mit meiner Person zu tun haben sollte. Ich verlange ebenso eine amtliche Antwort auf die Frage, warum ich permanent zu dieser Sache gleichgestellt werde. Das Treuhandverhältnis, auf dessen Privilegienannahme meinerseits Ihr Verwaltungshandeln ermächtigt ist, ist außerdem zu benennen, gleichwie die amtliche Stelle, die meine tatsächliche Person verwaltet.
Verstehen Sie bitte, dass ich mich nicht strafbar machen will, eine falsche Identität zu benutzen, nur um meine Schulden nicht zu bezahlen. Den Privilegienverzicht habe ich in Form einer Willenserklärung nach den Regeln Ihres Art. 10 EGBGB und § 8 und 9 Beurkundungsgesetz längst wirksam gestellt.
Sorgen Sie in Ihrer Funktion als öffentlicher Treuhänder bitte dafür, dass die öffentliche Verwaltung mich entsprechend der mit öffentlichen Urkunden nachgewiesenen Regelkonformität korrekt adressiert, und nehmen Sie eine regelkonforme Korrektur der Registerdaten und der Namensdarstellung vor, damit im Mindesten der lizensierte Name von der Verwaltung beansprucht wird.
Falschadressierte bzw. in Namensvariationen dargestellte Forderungen sowie alle Derivate, Aliase und idem sonans darf und werde ich nicht annehmen, so dass ich alle derartigen Ansprüche grundsätzlich dem Forderungsaussteller zu meiner Entlastung rücküberstelle. In diesem Fall betrachte ich die Forderung ohne Rekurs als saldiert und ausgebucht. Eine Antwort mit Privilegienentzug Ihrerseits hätte keine Grundlage und wäre nicht statthaft.
Diesen meinen Willen erkläre ich zum ersten, zum zweiten und auch zum dritten Mal. Zur technischen Korrektur der Defekte, die hierin benannt sind, und den entsprechenden Auskünften gewährt die Unterzeichnerin eine Frist von sieben Tagen nach Zugang dieses Schreibens. Der Tag des Fristablaufs ist somit der
3. J u n i 2 0 2 9.
Sollte ich binnen obiger Frist keine Antwort von Ihnen erhalten, erachte ich Ihr Stillschweigen als die treuhänderische Vollziehung dieser Willenserklärung und als Ihre amtliche Zustimmung zu den vorgebrachten substanziellen Inhalten dieser Änderungsmitteilung.
Sollte der Öffentlichkeit durch die unterzeichnende, erstrangige Verfügungsgläubigerin und Treugeberin G a l o p p i (geborene P i r s c h), Emilia unabsichtlich, unwissentlich und irrtümlich ein Schaden oder eine Entehrung entstanden sein, so bittet diese um die Zustellung derjenigen Urkunde, mit welcher dieser Schaden oder die Entehrung umgehend geheilt werden können.
Diese Urkunde wird als privatautonome Willenserklärung nach Union postale universelle (UPU) 1874 zugestellt und in Frieden präsentiert mit dem Zweck, die öffentliche Ordnung, Sicherheit und das öffentliche Wohl aller Beteiligten wiederherzustellen. Sie wird mit dem nachfolgenden Autograph und dem Ehrenwort der unbegrenzten Haftung versichert und als Zeichen ihres dreimalig geäußerten Willens durch die Unterzeichnerin bekräftigt und mit dem Abdruck ihres rechten Zeige- und Mittelfingers bestätigt und rückbestätigt.
Dies alles habe i c h gemäß dem Schöpferprinzip nach dem Worte Gottes eingebracht, auf dass der seelenvolle Mensch hinter der gesetzlichen Person G a l o p p i (geborene P i r s c h), Emilia nicht zu Schaden kommt. Denn mein Schöpfer kann nirgendwo und zu keiner Zeit ausgeschlossen werden.
Gültig im heute, hier und jetzt, datiert zur Postregistrierung und rückwirkend zum achten Mai neunzehnhundertneunundneunzig um acht Uhr dreizehn aus dem Domizil zu K ö n i g s m u n d.
Anlage:
- Kopie Reisepass der GALOPPI GEB. PIRSCH EMILIA
Verbunden mit einem herzlichen Dank für Ihr Verständnis meines Begehrs.
Freundlichst
Galoppi Emilia
Der Plan zur Restituierung des Personenstands haben die Märchen-Mädels in „Endstation Recht“ veröffentlicht. Mehr Hintergründe gibt es auch in anderen ihrer Märchen.]